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Die »Gewinghauser Bachniederung« in Bünde

(Wanderung Nummer 25)

Treffpunkt für geführte Wanderungen

Parkplatz Spielplatz Gewinghauser Straße, Bünde

Dauer der Wanderung: etwa 2,5 Stunden

Strecke: 3,5 Kilometer

Die Entstehung der Kulturlandschaft beruht auf der ausgedehnten und andauernden Tätigkeit des Menschen. Als Folge seiner Nutzungen wurden (und werden) natürliche Gegebenheiten je nach Bedürfnis und existentieller Notwendigkeit deutlich verändert. Im Laufe der Zeit haben sich so viele verschiedene Formen entwickelt, die fortwährend durch neue, meist intensivere Nutzungsformen abgelöst werden.

Erläuterungen zu den Stationspunkten der Wanderung

1. Ehemalige Wassermühle

Die Talenge des Gewinghauser Baches bot sich schon vor sehr langer Zeit als ein geeigneter Standort zur Wasserkraftnutzung an (erste Erwähnung der Gewinghauser Mühle in 1745). Hier konnte Wasser leicht angestaut und gezielt über ein Mühlrad genutzt werden. Durch ein notwendiges, kunstvolles System von Gräben, Dämmen und Teichen veränderten Mühlenbauwerke siedlungsnahe Fließgewässerlandschaften zu einem auch historisch wertvollen Konstrukt. Mit dem Aufstau ging allerdings eine Anhebung des Grundwasserspiegels Bach aufwärts einher. Der dann einsetzende Luftabschluss in den obersten Bodenschichten verhinderte die Zersetzung organischen Materials. Dieses reicherte sich zunehmend an und es entstand Torf. Aus einer vormals typischen Aue mit tonig-lehmigen Untergrund entwickelte sich so allmählich ein Niedermoor. Dieses wurde lediglich in den Sommermonaten als Streuwiese genutzt.

2. Vogelwelt

Die feuchten Wiesenbereiche im Westen des Gebietes sind durchaus auch für durchziehende Wiesenvögel, wie die Bekassine interessant. Auf den angrenzen Ackerflächen nutzen die Kiebitze den niedrigen Pflanzenwuchs für ihre Bodenbruten, wobei sie bei der Nahrungssuche von den feuchten Flächen im Gebiet profitieren. Neben der Amsel ist der Sumpfohrsänger als Brutvogel der Wiesen- und Bachränder häufigster Vertreter der Singvögel. Die Wasserflächen sind für Teich- und Blessralle, Stock- und Krickente und den Teichrohrsänger attraktiv. Die zunehmende Bewaldung der alten Moorabbaubereiche macht die Flächen aber für viele Wasservögel uninteressant, die gerne einen „weiten Blick" haben. Das kleine Waldstück am Hof Caspelherr hat es in sich: Hier brüten immerhin neben dem Mäusebussard auch erfreulich viele der selten gewordenen Stare. Von Jahr zu Jahr schwankend brüten im Gewinghauser Bachtal ungefähr 40 Brutvogelarten.

3. Torfabbau

Zwischen 1936 und 1967 wurde in der Gewinghauser Bachniederung ein gezielter Torfabbau für das Moorbad Wilmsmeier in Bad Randringhausen betrieben. Im Zuge der Torfgewinnung entwickelte sich aus der einst homogenen Geländeoberfläche des Flachmoores eine vielfältig strukturierte Moorwasserlandschaft. Es entstand längs zum Talraum ein kleiner See. Der Grundwasserstand senkte sich im obersten Abschnitt um bis zu 50 Zentimeter ab. Dieser setzte sich bis in den benachbarten Erlenbruch fort. Stumme Zeugen dieser unbeabsichtigten Entwässerung sind die mangrovenartigen Erlen, die das ehemalige Geländeniveau des Niedermoores abbilden.

Seit der Aufgabe des Torfabbaus im Jahre 1967 übernahm die Natur allmählich wieder die Regie im Gewinghauser Bachtal. Zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten hatten inzwischen den mosaikartigen Sekundärlebensraum mit sumpfigen und Wasser bestandenen Bereichen erobert. Spektakulär war das Vorkommen der schon damals sehr seltenen Europäischen Sumpfschildkröte (inzwischen verschwunden) und vieler seltener Wasservögel. Angesichts der außergewöhnlichen naturschutzfachlichen Bedeutung führte die „Gemeinschaft zur Erhaltung der Natur” zahlreiche Maßnahmen zum Erhalt dieser wertvollen Niederung durch. Das überprägte Niedermoorgebiet wurde schließlich als Naturschutzgebiet ausgewiesen und ging in den Besitz des Kreises Herford über.

4. Plaggenauftrag

Der Name der Ackerparzelle „Große Kamp” lehnt sich an die alte Flurbezeichnung „Kamp” an. Sie spiegelt die typische, seit vielen Jahrzehnten bestehende blockartige Grenzziehung wider. In Folge ihrer Plateausituation hebt sich die Ackerlage deutlich von ihrer Umgebung ab. Die uhrglasförmige Ausprägung resultiert aus der wiederkehrenden Aufbringung der Stalleinstreu (Plaggen) zusammen mit den Viehexkrementen. Diese Form der Düngung war bis zur synthetischen Herstellung der Mineraldünger üblich und veränderte langfristig das Landschaftsrelief.

5. Plaggenentnahme

Neben der weit verbreiteten Entstehung der Sieke durch die sog. „Wiskemaker“ (Wiesenmacher) gibt es eine weitere Theorie, die der Plaggenwirtschaft. Als Plaggen bezeichnet man den mit Spaten oder Hacke flach abgestochenen humosen Oberboden, bspw. von Wiesen. Die gewonnenen Rasensoden nutzte man zur Stalleinstreu im Winter. Zusammen mit den Viehexkrementen wurden diese im darauf folgenden Frühjahr als Dünger auf die Felder gebracht. Mit der Zeit senkte sich das Entnahmegebiet auf ein niedrigeres Niveau ab und bildeten die Mulden- beziehungsweise Kastenformen. Demzufolge ist anzunehmen, das erst durch die Geländeeintiefung ein zusätzlicher Anreiz zur „Vollendung” der Sieke bestanden haben könnte.

6. Waldweide

Die Plaggennutzung erstreckte sich bis in den zentral gelegenen Waldbestand. Im Gegensatz zu der ebenen Talform des Grünlandes steigt das Gelände im Wald von Westen nach Osten deutlich an. Demnach wurde der höher gelegene Waldbestand nicht weiter vertieft. Hierfür spricht, dass hier mehrere ungefähr 150 Jahre alte Rotbuchen und Stieleichen stehen. Nach Westen fällt das Geländeniveau im Zuge vermutlicher Plaggenentnahme aber wieder deutlich ab. Aktuell steht hier ein circa 50 Jahre alter Waldbestand.

Neben der Plaggennutzung wurde die Waldparzelle mit großer Sicherheit auch als Viehdurchtrieb genutzt. Entsprechend schließen sich die beiden mit Hecken bestandenen Hohlwege an. Die alten Eichen und Rotbuchen wurden als sogenannte Mastbäume zur damaligen Herbstfütterung mit Eicheln und Bucheckern genutzt. Dagegen herrschten mit großer Sicherheit nach Norden einst Weide zur weiteren Plaggennutzung vor. Eine dornige Hecke sowie die steilen Böschungen könnten auch hier ein Ausbrechen des Viehs verhindert haben.

7. Hohlweg

Vom Gehöft Caspelherr aus in Richtung Osten erstreckt sich ein typischer Hohlweg, deren seitliche Wälle nach Norden und Böschungen nach Süden mit einer dichten Hecke bestockt ist. Angesichts der vorherrschenden, leicht erosionsanfälligen Lößschicht zählen Hohlwege zu den typischen Elementen der traditionellen Kulturlandschaft des Ravensberger Hügellandes. Die Entstehung von Hohlwegen basiert auf der ständigen, jahrhundertelangen Nutzung unbefestigter und häufig genutzter Wege. Mensch, Tier und Wagenrad wirkten durch einfache mechanische Kräfte permanent auf das Lößgefüge ein und lockerten dieses letztendlich. Niederschlagswasser spülte schließlich die herausgelösten Bestandteile von der Bodenoberfläche fort. Im Zuge dieser Bodenerosion schnitt sich die Wegsohle allmählich in den Untergrund ein, so dass sich muldenförmige Strukturen herausbildeten: die Hohlwege. Die angrenzende Hecke, die wie hier häufig aus dornenbewährten Sträuchern und Kleinbäumen (Hainbuchen) besteht, konnte seinerzeit ein Ausbrechen des Viehs auf Wiesen und Äcker verhindern sowie das drohende Abrutschen der Hänge auffangen.

Der Hohlweg führt zu einem langgezogenen Siek nach Osten und über eine Wegefurt zu einem sehr heterogenen Waldbestand in Richtung Südosten. Damals wurde das Vieh in den Sommermonaten entlang der Hohlwege auf die feuchten Grünländer getrieben. Von hier aus erstreckt sich ein zweiter Hohlweg, der zum benachbarten Gehöft führt. Über die südwestliche Verlängerung des kleinen Wäldchens verläuft ein Seitental mit einem weiteren Siek. Das Kastental findet bei den ortsansässigen Menschen die Bezeichnung „In den Plaggen”, in deren Talmitte ein Quellbereich liegt.

Viele Ortsnamen in der Region führen den Zusatz „Kamp“. Der Kamp und das bandförmig verlaufende Siek „In den Plaggen“ sind Zeugnisse historischer Formen einer vielseitig betriebenen Landnutzung. Viele der Nutzungen sind heute vor allem wegen der dafür nötigen, aufwändigen Handarbeit verschwunden. Als Zeugen einer durch Menschen vieler Generationen mit viel Mühe und großem Fleiß erschaffener und erhaltener Kulturlandschaft verdienen sie unseren Respekt und Schutz.