Die »Blutwiese« in Löhne
(Wanderung Nummer 16)
Treffpunkt für geführte Wanderungen
Oststraße, Löhne-Gohfeld, im Naturschutzgebiet
Dauer der Wanderung: etwa 2 Stunden
Strecke: 3,2 Kilometer
Das Gebiet gehört naturräumlich zum Ravensberger Hügelland. Neben dem flachwelligen Quernheimer Hügelland erstreckt sich südlich der Blutwiese die Else-Werre-Niederung. Im Gegensatz zum kleinräumigen, mit Bächen durchzogenen Hügelland, weitet sich hier die Landschaft in der Flussaue deutlich auf. Die Blutwiese selbst ist ein nur 23,3 Hektar großes Naturschutzgebiet mit Feuchtwiesen, einigen kleinen Waldstücken und großen Brachflächen (fast 6 Hektar sind im Besitz der öffentlichen Hand). Einige teilweise großflächige Röhrichtbereiche liegen im Gebiet verteilt. Im gesamten Gebiet stehen über 100 zum Teil sehr alte Kopfbäume.
Erläuterungen zu den Stationspunkten der Wanderung
1. Erdgeschichtliches
Der Gesteinsuntergrund am Rande der Werreniederung besteht aus Ablagerungen urzeitlicher Meere, die sich vor über 200 Millionen Jahren unter subtropischen Bedingungen erstreckten. Dominierende Gesteine sind der Keuper, ein bunter Tonstein, und der Schiefer aus der Liaszeit. In der Kreidezeit kam es zu Aufwölbungen und Grabenbrüchen, die auch noch das heutige Landschaftsbild prägen. Erst während der Eiszeiten wurde Geschiebematerial, oft Lößboden und Geröll, angelagert und das Ravensberger Hügelland geformt, das teilweise unter 200 Metern mächtigen Eisschichten verschwand. In den Flussniederungen wurden bis zu 25 Meter mächtig Sande und Kiese abgelagert ("Niederterrasse"), so auch am Standort Blutwiese. Dort kam es deshalb zu einem Sand- und Kiesabbau. Im Vorfeld der Abgrabung wurden Bohrungen gesetzt, um den Untergrund zu prüfen. Dabei kamen am Rand des heutigen Teiches in 10-13 Metern Tiefe umfangreiche Knochenfragmente von "Mammuthus primigenius" zum Vorschein. Vor ungefähr 37.000 Jahren durchstreiften mächtige Mammuts die allerdings sehr frostige Landschaft (Permafrostböden). Die Werre konnte sich zu dieser Zeit und im Laufe der folgenden Jahrtausende noch in einer Breite von 12 Kilometer durch die Landschaft schlängeln.
2. Kopfbäume und Feuchtwiesen
Kopfbäume sind meist Weiden, die schon seit vielen Generationen durch regelmäßiges Zurückschneiden in Kopfhöhe auffallend verdickt sind. Sie sind typische Bestandteile unserer heimischen Kulturlandschaft. Ihre frischen, einjährigen Triebe stellten Material für das Weidenflechten, wie beispielsweise für Körbe, Zäune oder für die Gefache der Fachwerkhäuser. Vielerorts wurden die immer wieder austreibenden Äste nach einigen Jahren als Brenn- oder Anmachholz geschnitten, Jahr für Jahr, Baum für Baum. Diese charakteristischen Kopfbaumreihen findet man leider nur noch selten in unserer Landschaft entlang von Wegen, Wiesen oder Bächen. In der Blutwiese sind es noch etwa 100 dieser zum Teil sehr alten Bäume, die aber durch die lange Jahre fehlende Nutzung bedroht sind. Einmal auf Kopfhöhe "eingestellt" drohen die Bäume im zunehmenden Alter "kopflastig" zu werden und stürzen um (Bild). In der Blutwiese werden inzwischen die meisten Bäume von der Biologischen Station und ehrenamtlichen Helfern gepflegt; leider konnten einige wegen des zu hohen Alters der Äste nicht mehr zurückgeschnitten werden. Neuanpflanzungen werden die Ausfälle mit der Zeit ersetzen.
Besonders wertvoll für den Naturschutz sind Wiesen, die nicht mehr gedüngt und erst ab Mitte Juni gemäht werden. Hier wachsen deutlich mehr Pflanzenarten, wie beispielsweise Wiesenschaumkraut und Kuckucks-Lichtnelke, als auf den stärker genutzten und nährstoffreichen Wiesen. Schmetterlinge und Heuschrecken finden mehr Nahrungspflanzen und Plätze für die Eiablage. Die Biologische Station arbeitet mit den ansässigen Landwirten zusammen, um Wiesen und Weiden naturverträglicher zu nutzen. Für Ertragsausfälle erhalten die Landwirte, die zum Beispiel nicht mehr düngen, Ausgleichszahlungen. Im NSG Blutwiese bestehen derzeit auf 5,32 Hektar Grünland Verträge über eine naturverträgliche Nutzung (Vertragsnaturschutz).
3. Der Teichrohrsänger
Am Rande der Blutwiese, an den Gräben und Bachufern liegen sehr feuchte Bereiche mit Schilf, Sumpfgräsern und Hochstauden. Das Schilfrohr breitet sich mit langen Ausläufern aus und liebt nasse, zeitweise überschwemmte Standorte. Im Sommer bietet es vielen Tierarten Versteck, Nahrung und Brutmöglichkeit.
So liegen im Schilf kleine "Pfahlbauten" versteckt: Erbauer der filigranen Flechtwerke aus Halmen ist ein unscheinbarer Schilfbewohner, den man nur selten zu Gesicht bekommt: Der Teichrohrsänger. Sein Lebensraum ist das dichte Schilf, das er fast nie verlässt. Mitte Mai sucht der ausgeprägte Zugvogel die Schilfgebiete auf. Dann ist der Gesang der Männchen deutlich zu hören: ein rhythmisches, lautes und ächzendes "Knarren". Bedingt durch die tiefe Stimmlage dringt der Gesang hervorragend durch das dichte Schilf und markiert das Revier sehr wirkungsvoll: Weibchen werden angelockt und andere Männchen ferngehalten. Im Winter beherbergen Schilfbestände zahlreiche Insektenarten, die als Raupen und Puppen in den dicken Halmen überwintern.
4. Erlenbruchwald
Unsere Bäche und Flüsse sind von Natur aus vor allem von Erlen gesäumt. Flache, häufig überschwemmte Bereiche entwickelten sich zu Erlenbruchwäldern. Diese feuchten Bruchwälder sind meist im Rahmen der Entwässerung verschwunden, wurden in Acker oder Wiese umgewandelt oder mit Pappeln aufgeforstet. Das kleine Waldstück an der Blutwiese ist sehr feucht und die zunächst sehr dicht aufkommenden Erlen dünnen mehr und mehr aus. In den entstandenen Lichtungen hat sich eine mehr licht- und feuchteliebende Vegetation entwickelt (Sumpfdotterblumen, Schlankseggen); Amphibien finden Unterschlupf und Nahrungsangebot.
5. Die Schlacht von Gohfeld
Im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) gehörte die Grafschaft Ravensberg ebenso wie das Bistum Minden zu Preußen. Weitab vom zentralen Kampfgeschehen hatten sich um die Festung Minden, von den Franzosen besetzt, zahlreiche Truppen konzentriert. Um Minden herum formierten sich nun die beiden Hauptstreitkräfte zum entscheidenden Gefecht, sicher an die 100.000 Soldaten.
Am 1. August 1759 begann der Angriff der Preußen, die Schlacht führte zur völligen Niederlage der Franzosen; die westliche Front galt danach für die Preußen als gesichert. Die Flucht über die Nachschubwege waren versperrt, weil der alte Postweg ebenfalls in die Hände der preußischen Mächte gefallen war, und zwar bei Gohfeld.
Der Erbprinz Karl von Braunschweig übernahm die Aufgabe, am Tag der Hauptschlacht eine französische Sicherungstruppe bei Gohfeld zu zerschlagen. Seine 10.000 Mann nahmen östlich von Stift Quernheim Stellung. Die Franzosen standen unter dem Kommando von General Herzog de Brissac, der von der Aktion erfahren hatte, neben einer starken Kavallerie aber nur über 4.000 Mann verfügte und kaum Kanonen hatte. Eine Schlüsselrolle hatte die Werrebrücke beim früheren Haus Gohfeld, wo sich die Franzosen zunächst aufhielten, dann aber die weite Ebene nordwestwärts aufsuchten. Der braunschweigische Erbprinz teilte seine Streitmacht in drei Teile und wollte die Franzosen in die Zange nehmen. Der Plan gelang und die Franzosen mussten ins Wiehengebirge flüchten, 5 Kanonen zurücklassend. Aber auch die Franzosen hatten das ihrige erreicht, denn de Brissac sollte die 10.000 Preußischen aufhalten und ihre Teilnahme an der Hauptschlacht verhindern. Die Verluste der Franzosen waren beträchtlich, allein 300 Gefangene wurden gemacht, sicher noch viel mehr sind gefallen: "Und netzen die Wiesen mit ihrem Blut..." - ganz eindeutig ist aber der Standort Blutwiese nicht, sondern das Gefecht fand wohl einen Kilometer weiter westlich statt.
Offenbar ist aber die Blutwiese als Grabstätte für die gefallenen Franzosen gewählt worden, wie Funde vor über 100 Jahren belegten. Ein Gedenkstein erinnert an die "Action bey Coofeldt".
6. Haus Gohfeld
Das Haus Gohfeld machte gleich zu Beginn seiner historisch nachweisbaren Laufbahn negative Schlagzeilen: Der Bischof von Minden stimmte 1224 schriftlich einer Verpfändung der Vogtei Gohfeld zu. Das Fürstbistum Minden war viele Jahrhunderte lang Besitzer der Ländereien im Stadtgebiet Löhne und unterteilte diese in Amtsbezirke und diese wieder in Vogteien ein. Zur Vogtei Gohfeld gehörten 16 Bauerschaften. 1788 lebten hier 1590 Familien mit 7215 Angehörigen. Sitz der Vogtei war das Haus Gohfeld, dass lange Zeit nordöstlich der Werrebrücke in Gohfeld stand. Heute steht es allerdings in Mennighüffen. Im Zuge der Neuorganisation der preußischen Verwaltung nach Abzug der napoleonischen Besatzungsmacht wurde die Vogtei inklusive Sitz aufgelöst. Im 19. Jahrhundert wurde die alte Vogtei, wie viele Adelssitze der Region, an einen Bürgerlichen, Johann Andreas Gottlieb Weihe, verkauft, der den verfallenen Bau aber aufgab und sich an der Börstelstraße einen neuen Sitz erbauen ließ. Auch heute noch ist das Gut in Privatbesitz und öffentlich nicht zugänglich. Auf dem Hof sind etliche alte Parkbäume (unter anderem eine sehr alte Linde, Pyramideneichen) als Naturdenkmale besonders geschützt.
7. A 30
Nach annähernd 250 Jahren steht der Blutwiese eine neue Schlacht bevor: diesmal eine Schlacht Mensch gegen Natur. Der Verlierer steht bereits fest: Durch den geplanten Bau der Nordumgehung Bad Oeynhausen (Fortführung der A30) wird das Naturschutzgebiet Blutwiese quer durchgeschnitten und vom Teich der alten Abgrabung getrennt. Äußerst negative Konsequenzen für den Wasserhaushalt des feuchten Gebietes sind zu befürchten; von dem zerstörten Landschaftsbild und den real verlorenen Flächen ganz abgesehen. Zwischen Teich und dem Wäldchen neben dem Hof Rasche durchquert die geplante Trasse das Gebiet, verläuft am Rande des Teiches und überplant eine wertvolle Brachfläche vollständig. Von Fachleuten wird vor allem die Zerschneidung der Werreaue als besonders kritisch empfunden.