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Der »Kleine Selberg« in Vlotho

(Wanderung Nummer 19)

Treffpunkt für geführte Wanderungen

"Röntorfer Straße" zwischen der Abzweigung der Straße "Am großen Selberg" und der Straße "Wolfskuhle" am Straßenrand (Platz zum Parken vorhanden)

Dauer der Wanderung: etwa 2 Stunden

Strecke: 3,8 Kilometer

Die Wanderung führt rund um den kleinen Selberg, der in Steinbründorf beziehungsweise im Vlothoer Ortsteil Valdorf liegt. Zahl­­reiche weitere Wandermöglichkeiten schließen sich an. Ein ausgeschilderter Wanderweg, der Naturlehrpfad Bonstapel, deckt sich teilweise mit der vorliegende Route, an­dere Ziele, wie der große Selberg, die Linnenbeeke, Bad Senkelteich oder die Saalegge, sind fußläufig gut zu erreichen. Vom Selberg aus erstreckt sich eine stark gewellte, „unruhige“ Landschaft. Obwohl die Landwirtschaft die Hänge und teils auch die Bergkuppen „eroberte“, liegen die älteren und größeren Höfe in der Regel in den Tälern. Landschaftlich gehört das Gebiet zum Lippischen Berg­land, das wiederum Teil des Weserberglandes ist, und sich durch ein deutlich höheres und steileres Relief vom Ravensberger Hügelland abgrenzt.

Erläuterungen zu den Stationspunkten der Wanderung

1. Hecke

Schon seit langer Zeit werden die Flächen um den Selberg land- und forstwirtschaftlich genutzt. Früher jedoch wurden Äcker und Wiesen mit Hecken begrenzt und vor Erosion geschützt. Die Waldflächen hatten oft ausgedehnte Ränder, an denen der Wald in die offene Landschaft „ausfranste“.

Diese wertvollen Bestandteile der Kulturlandschaft sind selten geworden. Reste von Hecken, Einzelsträucher und ausgedehnte Baumhecken sind am Selberg ebenso zu finden wie schüttere Waldränder. Hier ist der Lebensraum des Baumpiepers, der allein am Selberg mindestens drei Reviere hat. Der extreme Zugvogel, der jedes Jahr zweimal die Sahara überfliegt, um in der afrikanischen Savanne zu überwintern, ist im Kreis Herford sehr selten geworden. Im Juni und Juli macht der unscheinbare Singvogel durch seinen auffälligen Gesang auf sich aufmerksam: Wie ein kleiner Fallschirmspringer gleitet der Vogel laut singend von einer hohen Singwarte herab bis auf den Boden, um mit diesem besonders nachdrücklichen Verhalten sein Revier zu markieren.

2. Quelle

Vor uns liegen die sogenannten „Siebenquellen“. Eine Störungslinie in geologischen Schichten hat die kräftige Quellschüttung hervorgebracht. Außer ein paar aufsteigenden Blasen ist von den sieben Quellen nicht viel erkennbar, da sie zu einer großen künstlichen Tümpelquelle gefasst wurden. Das Wasser ist zwar sehr klar und die Wasserqualität gut, aber die Umgebung der Quelle und der Quelltümpel weisen nur noch geringe Artenzahlen der für Quellstandorte typische Tiere und Pflanzen auf. Es ist zudem für jeden erkennbar, dass durch Trittschäden die Krautschicht in der Umgebung der Quelle verschwunden ist.

Vollkommen natürliche Quellen sind im Kreis Herford sehr selten. Nur ein Drittel der etwa 300 Quellen im Kreis kann als „naturnah“ bezeichnet werden.

3. Vertragsnaturschutz

Ziel des Kulturlandschaftsprogramms im Kreis Herford ist der Erhalt oder die Verbesserung der Lebensgrundlage gefährdeter Tier- und Pflanzenarten. Im Vertragsnaturschutz können Landwirte Verträge mit dem Kreis zur naturschonenden Nutzung von Grünland, zur Pflege von Obstwiesen, Hecken und Kopfbäumen abschließen.

In Teilbereichen zwischen den Naturschutzgebieten „Kleiner Selberg“ und „Linnenbeeke“ werden 5,8 Hektar Grünland nach den Vorgaben des Naturschutzes extensiv bewirtschaftet. Auflagen sind: Verzicht auf Düngung, Pflanzen­schutz­mittel, Nachsaat und Umbruch. Damit mehr Pflanzenarten zur Blüte kommen und ausreifen können, wird ein später Mahdtermin abgestimmt (möglichst erst nach dem 15. Juni).

4. Blick und Geologie

Der kleine Selberg ist eine immerhin 272 Meter hohe Erhebung. Die geologische Karte der näheren Umgebung mit Bonstapel, Nettelberg, Ruschberg und andere sieht aus wie ein bunter Flickenteppich. Häufig wechselt der Untergrund von Keuper, Muschel­kalk, Tonen, Schilfsandstein, Schiefermergeln bis zu Lösslehm. Die natürliche Vegetation ist dem­entsprechend vielseitig. Keuper ist in der Regel ein harter, oft bunter Sandstein und ein charakteristisches Gestein der gesamten Region, das vor über 200 Millionen Jahren abgelagert wurde. Jüngeres Gestein wurde vielfach als Geschiebemergel bis vor 10. – 20.000 Jahren während der Eiszeiten heran­getragen und mit hohem Lehmanteil über die älteren Gesteine gelagert. Im Lehm steckten zum Teil riesige Findlinge, von denen am Bonstapel Tausende gefunden wurden. Sie sind Zeugen urzeitlichen Geschehens, stammen aus dem fernen Norden und sind teilweise über 500 Millionen Jahre alt.

Auflagen von Braunerden, vor allem an den flacheren Hängen und in den Tälern, machen den Boden fruchtbar und landwirtschaftlich gut nutzbar. Die steilen Hänge des Selbergs und seiner Umgebung sind heute wieder relativ waldreich.

5. Wacholderheide

Am Nordhang des kleinen Selbergs erstreckt sich auf etwa 3 Hektar eine Wacholderheide. Die Heidefläche dürfte durch starke Überweidung ehemaliger Buchen-, Eichen- oder Hainbuchenwälder entstanden sein. Viele der umgebenden Bergkuppen waren mit Heide bestanden. Die Krautschicht wird heute von der Blaubeere gebildet und nur in den unteren Randbereichen ist noch wenig Heide zu finden.

Die Wacholder sind zum Teil stark überaltert. Die gesamte Fläche wird zunehmend von Eichen, Birken, Vogelbeeren und Brombeeren überzogen. Ein Erhalt dieser Kulturlandschaft wäre durch Schaf­beweidung möglich, die sich aber schwer realisieren lässt. Somit wird diese Heidelandschaft durch Ent­nahme von aufkommenden Gehölzen erhalten. Diese Arbeit, die eine unerwünschte Sukzession aufhält, nennt man „Entkusseln“.

6. Lesesteine, Reptilien

Steinreiche Acker- und Wiesenflächen wurden immer wieder „gelesen“, alle Steine mussten von Hand mühsam entfernt werden, um die Geräte zu schonen.

Am Fuße des Selbergs wurden vor Jahren solche Lesesteine zu kleinen Haufen auf zur Sonne exponierten Flächen aufgeschichtet. Die Steine stammen aus der anliegenden Hecke, in die sie vor Jahren aus dem benachbarten Feld hineingeworfen wurden. Im Inneren der Steinhaufen entstehen viele Hohlräume. Diese sind ein optimaler Lebensraum für viele Tiere, insbesondere für Reptilien. Am Selberg wurden im letzten Jahr Zaun-, Waldeidechsen und Blind­schleichen gesichtet. Nur ganz selten findet man im Kreisgebiet Stellen, an denen diese drei Arten gemeinsam vorkommen. Der Erhalt des Lebensraumes der Reptilien ist eng an das Schicksal der Wacholderheide geknüpft. Eine Verbuschung hätte eine Verschattung des Hanges zur Folge. Weiterer Lebensraum ginge den Reptilien verloren, die sehr stark an Bereiche mit langandauernder und intensiver Sonneneinstrahlung gebunden sind.

7. Neuntöter

Der Vogel mit dem schaurigen Namen Neuntöter ist ein harmloser, kaum drosselgroßer Insektenfresser. Er ist eine Zeigerart für die Kombination von Hecke und Wiese. Eine Hecke allein, beispielsweise an einer Strasse und einem Acker, reicht dem Neun­töter nicht. Hohe Dich­ten erreicht er in Trockengebieten, die lückige Krautvegetation und Einzelsträucher von dichtem Wuchs aufweisen. Wichtig sind insektenreiche Areale: blütenreiche Säume, Sandwege, krautige Feldwege und Ruderalfluren. Weil diese Landschaftsbestandteile noch in ausreichender Zahl im Vlothoer Bergland vorkommen, ist es bezogen auf den Kreis Herford das zahlenmäßig bedeutendste Brutgebiet des Neuntöters: Von den etwas mehr als 40 Paaren brüten allein über 30 in Vlotho. Um den Selberg herum kann man mit etwas Glück zwei oder drei Männchen auf einmal beobachten, die von ihren hohen Warten herunter ihre Reviere im Auge behalten.

Gefährdet ist die Art vor allem wegen unzureichender Nistplatzangebote. Viele der bevorzugten Hecken überaltern wegen man­gelnder oder falscher Pflege; vielerorts fehlen geeignete Hec­ken ganz. Auch die Nahrungsgrundlage schwindet: inten­siv ge­nutz­tes Grünland ist insektenarm. Auf Grenzertragsstandorten droht die Aufforstung, begünstigt auch durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft.