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Pressemitteilungen

04.10.2019

In Zukunft alles nur Bio? Landwirte und Naturschützer diskutieren im Kreishaus

Kreis Herford. Was braucht die Landwirtschaft, um in der heutigen Zeit nachhaltig arbeiten zu können? Was braucht der Naturschutz, um eine lebenswerte Welt zu sichern? Rund um diese Fragen drehte sich die Podiumsdiskussion im Kreishaus, zu der Landrat Jürgen Müller unter anderem Vertreter des Westfälisch-Lippischen Kreisverbandes, konventionelle und ökologisch wirtschaftende bäuerliche Landwirte, sowie Vertreter des Naturschutzbeirates und der Kommunalpolitik in das Kreishaus geladen hatte.

Besonders in Zeiten des Klimaschutzes ist die Landwirtschaft vielen Vorwürfen der Naturschützenden ausgesetzt. Im Kreishaus wurden nun alle Beteiligten an einen Tisch gebracht. „Es ist wichtig, dass wir nicht übereinander, sondern miteinander reden“, betonte Müller. Und das geschah dann auch.

Im Vorfeld der Diskussion wies Herrmann Dedert, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Herford-Bielefeld, auf die schwierige Situation der Landwirte hin. Zwischen 2010 und 2016 sank die Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe im Kreis Herford von 547 auf 508. „Die bundespolitischen Entscheidungen der Vergangenheit haben zu Einschränkungen und Mehrkosten geführt, die nicht mehr gedeckt werden können“. Es brauche klare politische Regelungen, um eine langfristige Landwirtschaft zu ermöglichen. Gleiches forderten auch die jungen Landwirte Malte Becker und Jonas Wortmann, zurzeit noch Schüler der Agrarfachschule in Herford. Ebenso müsse das Verständnis der Öffentlichkeit für die Belange der auf den Bauernhof arbeitenden Menschen größer werden. Dass auch das gesellschaftliche Ansehen von Landwirten sinkt, liegt jedoch an ihnen selbst, meint Tobias Schuhmacher von der Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung e.V. In der Vergangenheit hätten sie „mehr mit der Politik als mit dem Verbraucher“ gesprochen.

Ein großer Punkt auf der Tagesordnung war das Thema Bio-Anbau. „Wir brauchen mehr bäuerliche und weniger konventionelle Landwirtschaft“, forderte Ulrich Richter vom Naturschutzbeirat des Kreises Herford. Er plädiert für mehr Tierwohl und weniger Pestizide. Dazu zwinge die Landwirte auch die hohe Nitrat-Belastung im Boden. Herrmann Dedert betont jedoch, dass die Böden im Kreis Herford in einem guten Zustand seien. Wilhelm Brüggemeier vom Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband ist beim Thema Bio-Anbau skeptisch und denkt dabei vor allem an den Verbraucher. Dieser müsse nämlich tiefer in die Tasche greifen und sei dazu nicht wirklich bereit.

Obwohl der Anteil des Bio-Anbaus in der Landwirtschaft noch sehr gering sei, könne er langfristig die Bevölkerung ernähren, meinen Ulrich Richter und der Bio-Landwirt Uli Schumacher. „Die Leute müssen sich mehr von Gemüse und weniger von Fleisch ernähren“, so Schumacher. Zwar fände ein Umdenken zu mehr Regionalität und Bio beim Konsumenten statt, dennoch sei der Markt derzeit noch nicht groß genug. „Unter den Milchbauern haben wir Bio-Bauern einen Anteil von drei Prozent. Viele wollen auf Bio umstellen, doch der Markt ist einfach nicht da“, beklagt Schumacher. Vor allem die geringen Preise für überregionale Produkte erschweren die Situation für Landwirte wie ihn.

Eine nicht unumstrittene These vertritt Getreideforscher Tobias Schuhmacher, der in der Gentechnik eine mögliche Lösung in der Landwirtschaft sieht, um die gesamte Bevölkerung gerade in Zeiten des Klimawandels zu ernähren. Technisch sei das machbar. Er betonte aber auch, dass dies gesellschaftlich nicht akzeptiert würde. Dass die der Herausforderungen der konventionellen und der ökologischen Landwirtschaft zukünftig mit digitalem Werkzeuge bewältigt werden, merkte Klaus-Herbert Rolf von der 365 farmnet GmbH an.

In einem Diskussionspunkt waren sich alle Beteiligten einig: Das Insektensterben sei eine große Bedrohung. Besonders die Bienen müssten geschützt werden. „Bienen sind die wichtigsten Bestäuberinnen und eine Voraussetzung für erfolgreiche Landwirtschaft“, mahnt Richter vom Naturschutzbeirat.

Am Ende der Veranstaltung stand eine produktive Diskussion, die die Vielschichtigkeit des Themas Landwirtschaft aufgezeigt und zu einem konstruktiven Dialog zwischen Landwirten und Naturschützern beigetragen hat. Zum Abschluss übergaben die Landfrauen des Kreises Herford traditionell kurz vor Beginn des Erntedankfestes Landrat Jürgen Müller die Erntedankkrone.